Nomi­niert für den Köl­ner Thea­ter­preis und den Kurt Hacken­berg-Preis 2023: Mein Vater war König David

Mein Vater war König David”, ein Ana­log-Pro­jekt, Kopro­duk­ti­on mit stu­dio­büh­ne­köln, Oran­ge­rie Thea­ter und NS-Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum Köln, Text­fas­sung: Ensem­ble, Regie: Dani­el Schüß­ler, im Oran­ge­rie Theater

Was uns ver­erbt wur­de – der Ele­fant in der Familiengeschichte

Wir alle haben Erb­stü­cke in der Vitri­ne ste­hen, in mei­nem Fall einen Tel­ler aus Delf­ter Por­zel­lan, der einst mei­ner Urgroß­mutter gehör­te und der anschei­nend den Krieg unbe­scha­det über­stan­den hat. Mei­ne Groß­mutter hat ihn nicht unbe­scha­det über­stan­den, den Krieg. Das ist auch Teil mei­nes Fami­li­en­er­bes, doch über den Ele­fan­ten im Raum wur­de nicht gespro­chen. Ver­bor­gen bleibt, was ich noch geerbt habe, wel­che Trau­ma­ta mich bis heu­te beein­flus­sen.
Lara Piet­jou, vom mehr­fach preis­ge­krön­ten Thea­ter­kol­lek­tiv ANA­LOG, hat den Ele­fan­ten in ihrer Fami­lie auf­ge­spürt, ans Licht gebracht und künst­le­risch bear­bei­tet. Wir Zuschau­en­den sind ein­ge­la­den durch die Thea­ter­per­for­mance Mein Vater war König David – Über Iden­ti­tät, Fami­lie und das Ich in der Zeit Ein­bli­cke in ihre Fami­li­en­ge­schich­te zu neh­men. Nach dem Tod ihres Vaters fand sie in des­sen Nach­lass Zeug­nis­se über ihre jüdi­sche Abstam­mung und ihre Vor­fah­ren zur Zeit des Drit­ten Reichs.

Regis­seur Dani­el Schüß­ler (ANA­LOG) im Gespräch mit dem Oran­ge­rie Theater: 

Ihr beschäf­tigt euch mit der jüdi­schen Fami­li­en­ge­schich­te von Lara Piet­jou. Wie geht man sen­si­bel, aber den­noch offen an so eine Geschich­te heran?

Wir arbei­ten meis­tens mit bio­gra­fi­schen Stof­fen und haben gro­ße Erfah­rung mit der Umset­zung. Unser Ziel ist es, zu einem Kern von Authen­ti­zi­tät vor­zu­drin­gen und die­sen durch einen künst­le­ri­schen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess lau­fen zu las­sen. Dadurch ent­steht hof­fent­lich etwas, das grö­ßer ist als die ursprüng­li­che per­sön­li­che Geschich­te, etwas, das uns alle als Gesell­schaft betrifft. Dabei lau­tet unser Mot­to: So respekt­voll wie mög­lich, so respekt­los wie nötig. Mich inter­es­sie­ren Minia­tu­ren aus dem Leben, die ver­dich­tet für grö­ße­re Meta­phern ste­hen oder Din­ge verdeutlichen.“

Wenn ich es rich­tig ver­stan­den habe, wird ein Video­in­ter­view mit Laras Groß­mutter Teil der Insze­nie­rung sein. Wie ver­knüpft ihr Büh­ne und Video miteinander?

„Die Insze­nie­rungs­idee basiert auf einem Video mit Laras Groß­mutter, in dem sie über ihr Über­le­ben im Holo­caust und den Tod ihres Vaters in Ausch­witz berich­tet. Die Insze­nie­rung ist eher eine Raum­in­stal­la­ti­on, durch die die Zuschau­en­den hin­durch­ge­hen, sze­ni­sche Minia­tu­ren erle­ben und in der das Video durch Pro­jek­tio­nen eine ele­men­ta­re Rol­le spielt. Ergänzt wird das Video durch Inter­views, die wir mit Jüdin­nen und Juden geführt haben und die die Viel­falt jüdi­schen Lebens heu­te in den Blick neh­men. Wir möch­ten von den Schre­cken der Ver­gan­gen­heit in eine Dar­stel­lung über­ge­hen, die die Viel­falt in unse­rem Land wider­spie­gelt. Ein Zitat, das ich in die­ser Form aus ver­schie­de­nen Mün­dern gehört habe, bringt es auf den Punkt: “Wir wis­sen viel über jüdi­sches Ster­ben in Deutsch­land, aber wenig über jüdi­sches Leben.”

Über die Videoebe­ne hin­aus mün­det jede Vor­stel­lung in einem unge­zwun­ge­nen Essen mit dem Publi­kum und einem Gespräch mit einem Gast, bei dem die jüdi­sche Iden­ti­tät in Deutsch­land im Mit­tel­punkt steht.

Wer hat das Inter­view mit Laras Groß­mutter geführt? 

„Das Inter­view mit der Groß­mutter wur­de 1995 für das USC Sho­ah Foun­da­ti­on Insti­tu­te Visu­al Histo­ry Archi­ve, das von Ste­ven Spiel­berg ins Leben geru­fen wur­de, geführt. Lara fand es im Nach­lass ihres Vaters.“

Trans­ge­ne­ra­tio­na­le Ver­er­bung war in letz­ter Zeit in aller Mun­de, also der Umstand, dass trau­ma­ti­sche Lebens­be­din­gun­gen unse­re Gene nach­hal­tig beein­flus­sen. Glaubt ihr, dass man Trau­ma­ta an die nächs­te Gene­ra­ti­on ver­er­ben kann?

„Ja, davon bin ich fest über­zeugt, und wir haben uns schon in unse­rem Stück “Geis­ter Unge­se­hen” mit den Fol­gen der trans­ge­ne­ra­tio­na­len Trau­ma­wei­ter­ga­be beschäf­tigt. Am Pre­mie­ren­abend spre­chen wir mit dem Psych­ia­ter Dr. med. Peter Poga­ny-Wnendt genau über die­ses Thema.“

Wenn dem so ist, was bedeu­tet das dann für unse­re Gesell­schaft in Deutschland? 

„Ange­sichts des rus­si­schen Angriffs­kriegs auf die Ukrai­ne wird eine neue Gene­ra­ti­on trau­ma­ti­siert, und der Kreis­lauf wird fort­ge­setzt. Auch in Deutsch­land spü­ren wir in unse­ren eige­nen Fami­li­en, wie stark die Nach­kriegs­ge­nera­ti­on von den Ver­bre­chen der Nazi­dik­ta­tur beein­träch­tigt ist. Ein Grund mehr, die AfD im Auge zu behal­ten. Übri­gens ist es sicher nicht die rich­ti­ge Ant­wort auf die drän­gen­den Fra­gen unse­rer Zeit, Nazis aus Pro­test zu wählen.“

Was denkst du, wer­den wir als Zuschauer:innen aus dem Abend mitnehmen? 

„Was Zuschauer:innen mit­neh­men kön­nen, kann ich nicht beur­tei­len. Ich hof­fe, sie las­sen sich von einer packen­den Fami­li­en­ge­schich­te mit­rei­ßen, freu­en sich über die Interviewpartner:innen und stel­len sich mit uns zusam­men Fra­gen dar­über, wer wir sind und wer wir sein wollen.“

Das Inter­view führ­te Ines Lan­gel, Oran­ge­rie Theater.

ANA­LOG
Mein Vater war König David –
Über Iden­ti­tät, Fami­lie und das Ich in der Zeit
Thea­ter

Wei­te­re Ter­mi­ne:
Mi. 21.02.2024, 20 Uhr
Do. 22.02.2024, 20 Uhr
Fr. 23.02.2024, 20 Uhr
Sa. 24.02.2024, 20 Uhr
So 25.02.2024, 18 Uhr

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