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Vorstellungen

sa 08.10.2022

19:30

ERÖR­TE­RUNG NEU­ER VER­TRÄ­GE: DIE SCHÖN­HEIT DER EINÖDE

Datum

08. Okt 2022
Vergangen

LEC­TU­RE-PER­FOR­MANCE (on- or offline)

In Eng­li­scher Sprache.

Kurz nach Kriegs­be­ginn okku­pier­ten rus­si­sche Trup­pen die süd­ukrai­ni­sche Stadt Kher­son. Bei­na­he die Hälf­te ihrer Einwohner:innen flie­hen. Der ukrai­ni­sche Sozio­lo­ge und Kul­tur­ak­ti­vist Myko­la Homa­ni­uk bleibt mit sei­ner Fami­lie vor Ort. Er betei­ligt sich an Demons­tra­tio­nen gegen die Besatzer:innen, unter­rich­tet online sei­ne Stu­die­ren­den, orga­ni­siert eine Kunst­aus­stel­lung und beob­ach­tet die Ver­än­de­run­gen in der urba­nen Land­schaft, um die sich nie­mand mehr küm­mert: Bäu­me und Büsche wuchern über die Stra­ßen, Tie­re erobern die  uinen und die Flüs­se sind vol­ler Fische. 

In die­ser neu­en Ein­öde erkennt er, dass ein Umden­ken über die Fol­gen von Krie­gen, Kri­sen und Kata­stro­phen, die von Men­schen ver­ur­sacht wur­den, nötig ist. In der Lec­tu­re-Per­for­mance “ERÖR­TE­RUNG NEU­ER VER­TRÄ­GE: SCHÖN­HEIT DER EIN­ÖDE” (online oder off­line) steckt er die Para­me­ter ab, die es brau­chen könn­te, um neue Ver­trä­ge zwi­schen allen Lebe­we­sen zu schließen.

Myko­la Goma­nuk (Sozio­lo­ge und Thea­ter­ma­cher) in Zusam­men­ar­beit mit Lydia Ziem­ke und Zarif Bakirova.

 

Hin­ter­grund

“Ver­las­se­ne städ­ti­sche Grund­stü­cke (Stadt­vier­tel oder ein­zel­ne Gebäu­de) kön­nen zu einer neu­en Art von Ter­ri­to­ri­um in der Stadt wer­den. Sie könn­ten wie ein städ­ti­sches Natur­re­ser­vat sein, wie ver­ges­se­ne alte Tem­pel im Dschun­gel, wo sich das mensch­li­che Erbe mit Flo­ra und Fau­na vermischt.

Es ist ein Ergeb­nis des Umden­kens über die Fol­gen von Krie­gen, Kri­sen und Kata­stro­phen, die von Men­schen ver­ur­sacht wur­den.
Seit dem 24.02.2022 hat nicht weni­ger als die Hälf­te der Ein­woh­ner von Cher­son (Ukrai­ne) die Stadt ver­las­sen. Das sind 150 000 Ein­woh­ner. Und 20 000 Autos. Das gab der Natur die Mög­lich­keit, sich zu erho­len. Das Was­ser im Fluss Dni­pro ist sau­be­rer gewor­den. Die Zahl der Fische hat zuge­nom­men. Nie­mand schnei­det Bäu­me auf den Stra­ßen. Neue Vogel­ar­ten haben sich in der Stadt
ange­sie­delt. Wir hören jeden Mor­gen ihren Gesang anstel­le des Autolärms.

Ich den­ke zum Bei­spiel, dass wir unse­re bestehen­den Gedächt­nis­or­te über­den­ken müs­sen, um die Mög­lich­keit der Pro­pa­gan­da zu ver­mei­den. Ich sehe die fol­gen­den Pro­jek­te. Loka­le Archäo­lo­gen haben bestä­tigt, dass sich an der Stel­le, an der heu­te noch die Über­res­te des Denk­mals eines ein­zi­gen ver­damm­ten Poli­ti­kers ste­hen, ein Noma­den­grab­hü­gel (Kur­gan) befand. Ich den­ke, wir könn­ten ihn rekon­stru­ie­ren. Und den Sockel begra­ben. Dann wird Kur­gan zu einem Denk­mal für Men­schen, die hier in prä­his­to­ri­scher Zeit ein Pferd domes­ti­ziert haben. Im Park des Ruh­mes des Zwei­ten Welt­kriegs, wo sich jetzt ein T‑34, eine trau­ern­de Mut­ter und Sol­da­ten der Roten Armee befin­den, könn­ten die Men­schen die Natur berüh­ren. Bäu­me wer­den zwi­schen den Tafeln wach­sen, Blu­men wer­den blü­hen, Pil­ze und Tie­re wer­den sich dort ansie­deln. Der Park wird sich in einen Wald ver­wan­deln, und die Über­res­te der unbe­kann­ten Sol­da­ten wer­den end­lich zur Ruhe kommen.

Wir soll­ten zulas­sen, dass die Natur in Fabri­ken zurück­kehrt, die nie funk­tio­nie­ren wer­den, in unfer­ti­ge Gebäu­de, die nie gebaut wer­den, in ver­las­se­ne Sta­di­en, in denen nie­mand trai­nie­ren wird. Auch sie
sind Erin­ne­rungs­räu­me. Mahn­ma­le der Moder­ni­tät. Und die Natur und die Ver­las­sen­heit unter­strei­chen nur die Majes­tät der Archi­tek­tur. Solan­ge das Gebäu­de in Gebrauch ist, kann man
sei­nen ästhe­ti­schen Wert nicht wirk­lich einschätzen.”

Wir müs­sen zulas­sen, dass Gras durch den Asphalt wächst. Alles, was wir in einer sol­chen Stadt frei atmen kön­nen. Men­schen und nicht-mensch­li­che Nach­barn. Wir müs­sen einen neu­en Gesell­schafts­ver­trag zwi­schen Men­schen, Pflan­zen, Tie­ren, Pil­zen und sogar Kei­men schlie­ßen. Wir müs­sen eine neue gemein­sa­me Spra­che mit allen zel­lu­lä­ren Orga­nis­men und allen Viren finden.

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